In Wabern bei Bern entsteht derzeit ein neues Wohnquartier. Der Bächtelenpark ist ein Blickfang, eine einzigartige architektonische Komposition: Belebende Vielfalt statt Gleichförmigkeit, lautet das Credo. Die Überbauung setzt sich aus fünf Baufeldern zusammen, auf denen unterschiedliche Gebäudetypen erstellt werden. Verantwortlich für das Projekt ist Pierre Schenk. Wir haben ihn einen Tag auf der Grossbaustelle begleitet.
Herr Schenk, wie lange arbeiten Sie bereits als Projektleiter?
Ich arbeite seit rund zehn Jahren als Projektleiter, fünf davon bei Eiffage Suisse.
Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Ihnen aus?
Den gewöhnlichen Tag gibt es eigentlich nicht. Ich versuche zwar, strukturiert durch den Tag zu kommen, aber die Unwägbarkeiten sind sehr gross. Jederzeit kann ein unerwarteter Anruf die Tagesplanung über Bord werfen. Das ist eine Herausforderung, aber man gewöhnt sich daran und ist auch spannend zugleich.
Und was erwartet Sie heute?
Heute stehen die ersten Übergaben für Baufeld C auf dem Programm, was den ganzen Vormittag in Anspruch nehmen wird. Jede einzelne Wohnung wird gemeinsam mit dem Bauherrn, der Verwaltung sowie mit der Eiffage Suisse abgenommen. Die hoffentlich fast leeren Mängellisten werden dann in den nächsten zwei Wochen abgearbeitet. Am Nachmittag habe ich zwei Termine mit Subunternehmern, um mit ihnen die Schlussrechnungen zu besprechen und zu bereinigen. Ich mache dies jeweils vor der Rechnungsstellung. Denn die Erfahrung zeigt, dass dies die Bauabrechnung erleichtert und uns die notwendige Kostensicherheit gibt. Da in zwei Tagen die nächste Bauherrensitzung terminiert ist, muss heute noch die Traktandenliste geschrieben, Bemusterungen und Entscheidungsgrundlagen erarbeitet sowie zwei Projektänderungsanträge vorbereitet werden. Dies erwartet mich heute; morgen ist ein anderer Tag. [lacht]
Wie viel Zeit verbringen Sie jeweils auf der Baustelle, wie viel im Büro?
Normalerweise verbringe ich 30 Prozent des Tages auf der Baustelle und 70 Prozent im Büro. Je nach Tag kann dies aber auch stark variieren.
Was ist Ihre Aufgabe im Projekt Bächtelenpark?
Ich trage die Hauptverantwortung für das Projekt und bin für die qualitative und fristgerechte Fertigstellung des Projekts bei Einhaltung des Kostenrahmens zuständig. Meine Aufgaben umfassen primär Koordination und Controlling.
Was macht am meisten Spass?
Es bereitet mir grosse Freude, ein Projekt wachsen zu sehen. Ganz besonders, wenn die Mitarbeitenden mit viel Einsatzfreude am Werk sind.
Was nervt Sie auf der Baustelle?
Es nervt mich, wenn Termine nicht eingehalten werden. Vor allem dann, wenn zeitliche Engpässe nicht proaktiv kommuniziert werden und man erst von der Verzögerung erfährt, wenn es bereits zu spät ist. Verspätungen haben häufig Auswirkungen auf Folgearbeiten und können auch finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Da ich letztendlich die Verantwortung für die zeit- und kostengerechte Abgabe des Bauprojekts habe, bin ich diesbezüglich recht empfindlich.
Gibt es etwas, das Sie auf dem Bau grundlegend anders machen würden?
Einer der kritischsten Punkte auf dem Bau ist die Zeitplanung. In der Regel ist der Baubeginn fix vorgegeben. Ich stelle fest, dass am Baubeginn häufig auch dann festgehalten wird, wenn wichtige
Fragen der Planungsphase noch nicht abschliessend geklärt sind. Dies kann später zu Komplikationen führen. Aus meiner Sicht sind zuerst die offenen Fragen zu klären, sofern sie nicht zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet werden können.
Was sind die grössten Herausforderungen auf einer Grossbaustelle?
Die Vielsprachigkeit auf der Baustelle kann manchmal problematisch sein und zu Missverständnissen führen. Früher war es gut möglich, sich mit Deutsch und ein bisschen Italienisch zu verständigen. Heute sind auf dem Bau sehr viele Nationalitäten vertreten. Anweisungen können häufig nicht direkt beim Bauarbeiter platziert werden, da die Deutschkenntnisse teils mangelhaft sind. Hier den Umweg über den Vorgesetzten zu gehen, ist mit Mehraufwand verbunden. Und es besteht die Gefahr, dass die Fehlerquote steigt.
Und welches waren die grössten Herausforderungen speziell bei diesem Projekt?
Das Ungewöhnliche an diesem Projekt ist, dass wir zwar eine Grossbaustelle haben, aber dennoch eigentlich fünf voneinander unabhängige Bauprojekte. Die grosse Herausforderung liegt darin, dass die fünf Einzelprojekte trotzdem als Teil eines Gesamtprojekts gesehen werden. Dies ist vor allem wichtig, da wir gewisse Abhängigkeiten haben, zum Beispiel die zentrale Energieversorgung für alle fünf Gebäude. Ich führe deshalb wöchentlich ein Meeting mit den fünf Bauleitern durch, die jeweils für ein Baufeld verantwortlich sind. So können wir Schnittstellenprobleme frühzeitig erkennen und lösen. Eine zweite grosse Herausforderung ist das Kostencontrolling. Vor allem im Bereich Eigentumswohnungen bringt die Käuferschaft gerne immer wieder Sonderwünsche ein, die sich in der Regel auf die Baukosten auswirken.
Hatten Sie schon mal Angst, dass ein Projekt scheitert?
Ich kann mich an den Umbau einer grossen Metzgerei erinnern. Die Arbeiten waren bereits weit fortgeschritten, als wir feststellten, dass die Bausubstanz nicht so gut erhalten war wie gedacht. Hätten wir dies früher gewusst, hätten wir von einem Umbau abgesehen und gleich einen Ersatzneubau geplant. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich tatsächlich gefragt «Was machen wir hier eigentlich?». Schlussendlich ist das Projekt aber doch noch gut zum Abschluss gekommen.
Sie haben sich vorhin mit einem Arbeiter unterhalten. Sie scheinen die Leute hier auf der Baustelle gut zu kennen.
Ja, ich kenne in der Tat viele Mitarbeitende auf der Baustelle. Auch hier sind gute Beziehungen für das Gelingen von Projekten wesentlich. Dabei ist unerheblich, ob es sich um Architekten, Bauherren oder einfache Handwerker handelt. Es ist wichtig, allen auf der Baustelle Respekt entgegenzubringen und miteinander am gleichen Strang zu ziehen.
Inwiefern unterscheidet sich dieses Projekt von Ihren bisherigen Projekten?
Beim Bächtelenpark handelt es sich um ein Projekt mit fünf sehr unterschiedlichen Teilprojekten, sowohl was Architektur als auch Materialien anbelangt. Dies führt zu einer grösseren Komplexität sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung. Hier den Überblick zu behalten, ist nicht immer ganz einfach. Glücklicherweise habe ich fünf kompetente Bauleiter, die für Ordnung in den Teilprojekten sorgen, sodass ich mich um das grosse Ganze kümmern kann.
Was gefällt Ihnen besonders an diesem Projekt?
Das Projekt ist sehr abwechslungsreich und eine Aufgabe, an der ich wachsen kann. Ein weiteres Highlight ist natürlich der atemberaubende Blick auf die Berner Altstadt und die Alpen, vor allem vom obersten Stockwerk des Hochhauses. [schmunzelt]
Ist der Bächtelenpark Ihr bisher grösstes Projekt?
Ja, das Projekt ist wirklich sehr gross. Zu Spitzenzeiten hatten wir 300 Bauarbeiter auf der Baustelle. Rund 100 Mio. Franken beträgt das Auftragsvolumen. Dennoch hat bis anhin alles recht gut funktioniert. Dies liegt auch daran, dass das Projekt nur einen Investor im Rücken hat, der zugleich sehr umsichtig und pragmatisch handelt. So hat er beispielsweise das Projekt dem politischen Vernehmlassungsprozess zugeführt, obwohl dies nicht zwingend war. Dafür ist das Projekt heute breit abgestützt und akzeptiert.
Was ist Ihr nächstes Projekt?
[Lacht] Zuerst schaue ich, dass der Bächtelenpark fertiggestellt wird. Das wird planmässig im September 2016 der Fall sein. Dann werde ich weitersehen. Mir wird bestimmt nicht langweilig.