Raum bedeutet Leben – Raum prägt und beeinflusst stetig unser Dasein. Unsere Ansprüche steigen, dies nicht nur im Privatleben, sondern auch bezüglich des Arbeitsraums und des öffentlichen Raums.
Wie viel Raum benötigen wir, um glücklich zu sein? Immer mehr. Der beanspruchte Raum ist in den letzten 30 Jahren in der Schweiz pro Einwohner von durchschnittlich 36 Quadratmetern auf rund 45 Quadratmeter angestiegen.
Der wachsende Konsum von Lebensraum ist das Ergebnis unseres (immer noch) zunehmenden Wohlstands. Wir verdienen mehr, bekommen weniger und später Nachwuchs – und haben mehr Geld für Freizeit und «schöneres Wohnen». Auch die Veränderung der Wohnformen beansprucht zusätzlichen Raum. Viele Paare verfügen über zwei Wohnungen, auch Patchworkfamilien besitzen häufig zwei Wohninfrastrukturen. Ältere Menschen leben dank neuer Pflegemethoden und der höheren Lebenserwartung länger in ihren eigenen vier Wänden. Und Gutverdiener können eine Zweitwohnung als Weekend- oder Feriendomizil ihr Eigen nennen.
Dies ist aber nicht überall der Fall. Je grösser die Städte werden, desto knapper und teurer wird der Wohnraum. Vergleichen wir Zürich mit einer grossen Metropole unserer Welt, so leben zum Beispiel die Menschen in Tokio auf weniger als 15 Quadratmetern. Der Reiskocher auf dem Tatami-Fussboden neben dem Fernseher, die Audioanlage auf der Mini-Küchenanrichte, die Wäsche zum Trocknen an der Lampe und stapelweise Kartons mit Kleidern und Habseligkeiten. Mit Gemütlichkeit, Design oder Stil hat das Wohnen in dieser Grossstadt nichts zu tun.
Klein gegen Gross
Macht jetzt viel Raum glücklich? Oder macht wenig Platz zufriedener? Das Small House Movement, auch Tiny House Movement («Bewegung für winzige Häuser») genannt, ist eine gesellschaftliche Bewegung in Amerika, die das Leben in kleinen Häusern propagiert. Die Bewegung findet auch ihren Ausdruck in der Architektur, indem zunehmend auch Klein- und Minihäuser geplant und realisiert werden, wobei sich die Minihäuser durch eine Wohnfläche bis etwa 55 Quadratmeter definieren und Kleinhäuser eine für amerikanische Verhältnisse kleine Wohnfläche bis etwa 110 Quadratmeter haben.
Auch in Deutschland gibt es ein Architekturbüro, welches sich auf Kleinhäuser spezialisiert hat. Frank Schönert, Architekt und Inhaber von Hütten & Paläste, hat die Antwort nach dem Platz in einem Interview in der «Zeit Online» so beantwortet: «Eigentlich so viel wie in einem Schlafwagenabteil», das wären etwa 3,7 Quadratmeter. Zwischen zwölf und 45 Quadratmetern messen die Grundflächen der Kleinbauten, die sich die Berliner Architekten ausdenken: Lauben, Wochenendhäuser – alles, was kleiner ist als ein Einfamilienhaus. «Je intellektueller der Hintergrund des Bauherrn, desto einfacher will er bauen», sagte Schönert.
Gibt es denn hierzulande genügend Argumente, sich im Platz einzuschränken?
Vieles, womit wir uns umgeben, wird kleiner. Die grossen Röhrenfernsehgeräte haben wir längst durch Flachbildschirme ersetzt, welche wir an die Wand hängen, der unhandliche Computer hat Platz für den Laptop gemacht, unser Natel oder iPod ersetzt die grosse Stereoanlage – und die Bücherregale sind aus unseren Wohnungen verschwunden, seit es die E-Books gibt. Auch psychologisch betrachtet, konzentriert sich der Mensch in unseren Breitengraden wieder mehr auf das Wesentliche. Effizienz und Fokussierung sind Schlagwörter unserer Zeit.
Ist weniger wirklich mehr in Bezug auf unseren Wohnraum?
Was mich betrifft, macht genügend (was ja im Auge des Betrachters liegt) bis viel Platz glücklich. Ich möchte mein Gästebad nicht missen, auch die Ankleide und das Büro finde ich toll, obwohl ich stets am Esstisch in der offenen Küche arbeite, wenn Homeoffice auf dem Plan steht. Und obwohl nicht permanent Gäste eingeladen sind, ist eine «grosse Wohnung» einfach super. Und für mich dürfte es auch ein bisschen mehr sein.